Mobile Kleintierchirurgie Dr. Amalia Bolia

ÜBERBLICK

Das vordere Kreuzband (vKB) ist einer der wichtigsten Stabilisatoren des Kniegelenkes. Der Meniskus (Abbildung 1) ist eine knorpelartige Struktur, die sich zwischen Oberschenkel- und Unterschenkelknochen befindet. Es erfüllt viele wichtige Funktionen im Gelenk, wie Stoßdämpfung, Vergrösserung der Kontaktfläche zwischen den Gelenkanteilen und Vermeidung der Reibung des Gelenkknorpels. Der Meniskus wird häufig beschädigt, wenn das vKB reißt.

Anatomie des Kniegelenkes
Abbildung 1: Das Kniegelenk und seiner wichtigsten Strukturen. Rot: das vordere Kreuzband, Gelb: das hintere Kreuzband, Lila: der Meniskus

Der Kreuzbandriss ist einer der häufigsten Ursachen einer Lahmheit der Hintergliedmaße beim Hund. Die Entwicklung eines Kreuzbandrisses ist beim Hund viel komplexer als bei Menschen. Während der Grad der Lahmheit variieren kann, verursacht es auf lange Sicht immer Arthrose. Traumatische Rupturen (als Folge eines Unfalls) können bei Hunden auftreten, sind jedoch äußerst selten. Am häufigsten wird der Kreuzbandriss durch eine Kombination verschiedener Faktoren verursacht: Entartung des Bandes (Degeneration), Übergewicht, schlechte körperliche Verfassung und Rasse. Das Auffasern des Bandes ist das Ergebnis einer subtilen, langsamen Degeneration, die über einige Monate oder sogar Jahre stattfinden kann. Sehr selten ist es das Ergebnis eines akuten (plötzlichen) Traumas des Bandes. Dieser Unterschied zwischen Menschen und Hunden erklärt zwei wichtige Merkmale des Kreuzbandrisses beim Hund:

  • 30 – 50% der Hunde, die ein Kreuzbandproblem in einem Knie haben, werden wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt ein ähnliches Problem auf der anderen Seite entwickeln.
  • Ein Teilriss des Kreuzbandes ist beim Hund sehr häufig und entwickelt sich im Laufe der Zeit häufig zu einem vollständigen Riss.

Die Krankheit betrifft Hunde aller Größen und Altersgruppen aber auch Katzen. Bestimmte Hunderassen haben bekanntermaßen ein höheres Risiko einer Kreuzbandpathologie (Rottweiler, Neufundland, Staffordshire Terrier, Mastiff, Akita, Bernhardiner, Chesapeake Bay Retriever und Labrador Retriever), während andere Rassen seltener betroffen sind (Greyhound, Dachshund, Basset Hound).

Weibliche kastrierte Hunde haben ein erhöhtes Risiko an einer Kreuzbanruptur zu erkranken. Die Ursache dafür ist bisher nicht 100% geklärt, und die Vorteile der Kastration Ihres Hundes (z. B. ein geringeres Krebsrisiko) überwiegen mit Sicherheit das Risiko einer Kreuzbandruptur. Für Neufundländer ist eine genetische Komponente nachgewiesen worden. Andere Risikofaktoren, wie schlechte körperliche Verfassung und Übergewicht, können von Tierbesitzern beeinflusst werden. Regelmäßige Bewegung ist daher für Ihren Hund essentiell.

SYMPTOME

 

Wie bereits erwähnt, ist bei Hunden eine progressive Degeneration des Kreuzbandes meistens der Fall – zuerst entsteht ein Teilriss des Bandes, der sich zu einer vollständigen Ruptur entwickelt. Möglicherweise bemerken Sie anfangs gar keine Lahmheit, insbesondere wenn beide Kniee betroffen sind. Ein häufiges Symptom ist, dass Hunde nicht mehr richtig sitzen können, sondern ein oder beide Hintergliedmaßen beim Sitzen zur Seite legen. Sie können eventuell auch folgende Symptome feststellen:

  • Schwierigkeiten beim Aufstehen
  • Probleme beim Springen ins Auto
  • Reduzierte Aktivität
  • Muskelatrophie (Verlust von Muskelmasse im betroffenen Bein)
  • Ein Klick-Geräusch beim Laufen (dass auf einen Meniskusriss hinweisen kann)
  • Schwellung an der Innenseite des Kniegelenkes (Narbengewebe)

Viele Hunde entlasten das betroffene Bein im Stehen, aber die Lahmheit ist beim Gehen weniger offensichtlich, insbesondere bei Teilrupturen des vKB. Wenn ein teilweise beschädigtes Band vollständig reißt oder der Meniskus beschädigt wird, kann Ihr Hund eine hochgradige Lahmheit zeigen und das Bein gar nicht mehr belasten. Diese Veränderung der Lahmheit kann plötzlich auftreten, meistens ohne schweres Trauma (ein minimales traumatisches Ereignis kann dazu führen, dass das teilgerissene Band vollständig reißt). Hunde mit einer chronischen (alten) Ruptur, zeigen normalerweise Symptome im Zusammenhang mit einer Arthrose, wie z.B.

  • Verminderte Aktivität
  • Steifheit
  • Unwilligkeit zu spielen
  • Schmerzen

DIAGNOSE

Die Diagnose oder der Verdacht eines Kreuzbandrisses kann durch eine Kombination aus einer orthopädischen Untersuchung und Röntgenaufnahmen gestellt werden. Eine spezielle Untersuchung, mit denen Tierärzte eine Kreuzbandruptur und somit eine Instabilität des Kniegelenkes bestätigen, ist die „Schubladenprobe“. Teilrupturen des Kreuzbandes lassen sich klinisch schwerer diagnostizieren.

Röntgenaufnahmen werden in der Regel durchgeführt und dienen zu:

  • Entdeckung von Gelenkerguss (Flüssigkeitsansammlung im Gelenk)
  • Evaluierung des Arthrosengrades
  • Ausschluss anderer Erkrankungen wie z.B. Knochentumore oder OCD (Osteochondrose)
  • Operationsplanung

Für bestimmte Operationen (TPLO, TTA) sind spezielle Röntgenaufnahmen unter Sedation (Betäubung) des Tieres erforderlich. Durch die Röntgenuntersuchung kann man den Zustand des Kreuzbandes oder des Meniskus nicht beurteilen, da diese Strukturen im Röntgen nicht sichtbar sind. Dies kann nur nach einer direkten (visuellen) Untersuchung des Bandes durch eine Gelenkspiegelung oder Arthrotomie (Eröffnung des Gelenkes). In der Regel erfolgt diese Untersuchung im Rahmen der Operation.

BEHANDLUNG

 

Für die Therapie eines Kreuzbandrisses stehen viele Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die erste wichtige Entscheidung ist zwischen einer chirurgischen und einer konservativen Behandlung. Die Therapieentscheidung hängt von vielen Faktoren ab (Aktivitätsgrad, Größe, Alter und Grad der Instabilität). Sie sollten sich an einen Chirurgen/Orthopäden wenden, sobald sie sie erste Symptome bemerken, damit die besten Ergebnisse erzielt werden. Generell sollte der vordere Kreuzbandriss bei Tieren operativ versorgt werden, damit der Bewegungsapparat ihres Hundes nicht dauerhaft eingeschränkt ist, quälende Schmerzen ausbleiben und die Lebensfreude ihres Hundes erhalten bleibt.

CHIRURGISCHE BEHANDLUNG

Bei der Operation werden folgende Ziele erreicht:

1) Untersuchung und ggf. Therapie von Meniskusschäden (die häufig im Zusammenhang mit einem Kreuzbandriss auftreten)

2) Wiederherstellung der Gelenksinstabilität

Um die Instabilität des Kniegelenkes zu beheben, stehen viele Operationsmethoden zur Verfügung. Die verschiedene OP-Techniken basieren sich auf unterschiedlichen Konzepten und können in zwei Gruppen eingeteilt werden:

Dynamische oder Osteotomie Techniken
TPLO
Abbildung 2: Die Knwochenschnittführung bei der TPLO

Osteotomie Techniken erfordern einen Knochenschnitt (Osteotomie), der die Wirkung der Quadrizepsmuskulatur am Unterschenkel verändert. Die Stabilität des Kniegelenks wird erreicht, ohne dass das Kreuzband direkt ersetzt wird. Die Biomechanik des Kniegelenks wird verändert und somit wird das Band überflüssig.

Dies kann entweder durch Drehen des Plateaus des Unterschenkels (Tibia Plateau Leveling Osteotomy – TPLO) oder durch Vorschieben des Ansätzes des Musculus quadriceps femoris am Unterschenkel (Tibial Tuberosity Advancement – TTA) erreicht werden (Abbildung 2). Aus vielen verschiedenen Gründen bevorzuge ich die TPLO.

Bei der TPLO wird ein kreisförmiger Schnitt am oberen Teil des Unterschenkels durchgeführt und somit die untere Gelenkfläche des Knies gedreht. Diese Umstellung des Tibiaplateaus führt zur Stabilität, ohne dass das vKB benötigt wird. Die Osteotomie muss durch einer Knochenplatte und Schrauben stabilisiert werden (Abbildung 4). Diese werden nur selten entfernt. Die Tiere erholen sich im Vergleich zu den BandersatzTechniken schneller und es werden wenige bis kaum Meniskusschäden nach der Operation berichtet.

„Bandersatz“ Techniken

„Bandersatz“ Techniken können in intra-artikulär (innerhalb des Gelenks und somit ein echter Bandersatz) und extra-artikulär (außerhalb des Gelenks) unterteilt werden. Beim Menschen ist der intra-artikuläre Ersatz des vorderen Kreuzbandes das Standardverfahren während es beim Hund bisher mit schlechten klinischen Ergebnissen verbunden war. Der intra-artikulärer Bandersatz wird bei Hunden erneut geforscht und war auch das Thema meiner Dissertation. Anhand neuartiger Entwicklungen (Zielgeräte, genauere Beschreibung der Ansatzpunkte des vK

Abbildung 3: Lateraler Fadenzügel. Das Implantat wird an bestimmten Stellen am Knochen befestigt.

B, neue Implantate) ist die Methode für die Zukunft vielversprechend.

Die am Häufigsten durchgeführte Methode wird als extra-artikuläre Stabilisierung (oder „lateraler Fadenzügel“) bezeichnet. Dabei wird starkes Nahtmaterial an der Außenseite des Kniegelenks platziert (Abbildung 3). Dieses Material hat als Ziel die Funktion des Kreuzbandes nachzuahmen und somit das Gelenk zu stabilisieren. Das Nahtmaterial unterschütz das Kniegelenk bis sich Narbengewebe um das Gelenk bildet und die stabilisierende Rolle übernehmen kann. Es gibt unzählige Variationen dieser Technik (verschiedene Materialien, Knotenmöglichkeiten und Befestigungsmöglichkeiten). Die häufigsten Komplikationen dieses Verfahrens sind ein frühzeitiges Versagen (Lockerung oder Bruch) der Naht, die fortschreitende Entwicklung von Arthrose und die Höhe Zahl an postoperativen Meniskusschäden. Das Implantatversagen tritt bei größeren und aktiven Hunden häufiger auf. Daher empfehle ich diese Technik nur für kleine Hunderassen, bei älteren oder inaktiven Hunden und bei Katzen. Die Hauptvorteile dieser Technik sind die geringeren Kosten und die Tatsache, dass sie weniger invasiv und schneller als die TPLO ist (kein Knochenschnitt notwendig).

POSTOPERATIVE BEHANDLUNG

Die postoperative Pflege der Tiere ist von entscheidender Bedeutung. Vorzeitige, unkontrollierte oder übermäßige Aktivitäten können zum Versagen der Implantate führen. In diesem Fall muss das Tier erneut operiert werden und im Fall der TPLO oder TTA sogar mit einer noch invasiveren Operation. Die richtige postoperative Versorgung beinhaltet unter anderem Leinenzwang für mindestens 6 Wochen.

Abbildung 4: Das seitliche Röntgenbild eines Kniegelenkes nach TPLO

Während die Kontrolle der Bewegung des Tieres streng zu kontrollieren ist, ist es auch essentiell die Muskelmasse und die Gelenksfunktion aufrechtzuerhalten. Studien zeigen, dass Physiotherapie die Genesung nach der Operation beschleunigt und das Endergebnis, unabhängig von der gewählten Operationstechnik, verbessern kann. Die Physiotherapie sollte aber erst mindestens zwei Wochen nach der Operation und immer nach Rücksprache mit dem Operateur beginnen.

Die Langzeitprognose nach einer chirurgischen Behandlung ist gut. Bei der Mehrheit der Fälle findet eine klinische Verbesserung statt. Leider schreitet die Arthrose unabhängig von der Behandlung fort, jedoch viel langsamer im Fall einer operativen Behandlung. Daher wird für jeden Hund mit einem Kreuzbanrdriss, unabhängig von der gewählten Operation, ein Arthrosenmanagement empfohlen.  Es ist wichtig zu verstehen, dass Arthrose eine irreversible Krankheit ist alles getan werden sollte, um ihre Entwicklung zu verhindern/verlangsamen.

Die zweithäufigste Komplikation ist die Verletzung des Meniskus. Aufgrund der Instabilität des Kniegelenks wird der innere (mediale) Meniskus am häufigsten beschädigt. Dies kann bereits vor oder sogar nach der Operation geschehen. Meniskusschäden werden bei Hunden behandelt, indem die beschädigten Teile des Meniskus, optimaler Weise durch einer Gelenkspiegelung, entfernt werden. Ein Meniskusriss ist sehr schmerzhaft. Meniskusreste können die Funktion des Gelenkes massiv einschränken und die Entwicklung von Arthrose beschleunigen.

KONSERVATIVE BEHANDLUNG

 

Die konservative Behandlung eines Kreuzbandrisses beinhaltet eine Kombination aus Medikamenten/Erzänzungsmitteln, Ruhighaltung/Physiotherapie und eventuell die Anwendung von Orthesen. Bei übergewichtigen Tieren ist die Gewichtsabnahme sehr wichtig.

 

  1. Ruhighaltung und entzündungshemmende Medikamente

Die Lahmheit aufgrund einer Kreuzbandruptur wird in der Regel (oder zumindest bei den frühen Stadien der Krankheit) nach einer Behandlung mit Schmerzmitteln und Ruhighaltung besser. Insbesondere bei kleinen Hunden und im Fall eines Teilrisses des Bandes kann die Lahmheit vollständig verschwinden. Bei größeren Hunden bleibt jedoch meistens ein gewisser Grad an Lahmheit bestehen. Die Kombination von Schmerzmitteln und Ruhe ist an sich aber keine Behandlung, die das Knie stabilisiert. Bei manchen Hunden ist sie aber aus verschiedenen Gründen die einzige Option.

 

  1. Physiotherapie

Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass die physiotherapeutische Behandlung durch einen ausgebildeten Therapeuten, die Genesung nach einer Operation vorantreiben und beschleunigen kann. Es gibt jedoch, im Gegensatz zu der Humanmedizin, kaum Anhaltspunkte dafür, dass es eine echte Alternative zur chirurgischen Behandlung ist. Allerdings ist die Physiotherapie bei Tieren mit mehreren Krankheiten oder bei älteren Tieren eine attraktive Option.

 

  1. Orthesen

Angepasste Knieorthesen sind in der Hundeorthopädie relativ neu und daher liegen nur wenige wissenschaftliche Studien vor. Diese Behandlung ist jedoch für ausgewählte Patienten sehr wertvoll. Es handelt sich meistens um eine vorübergehende Lösung und für junge, aktive Tiere auf Dauer nicht geeignet.

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